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Architektur | Grundlagen der Gestaltung und Gestaltungstheorie

Unsere Ideen vom auseinander strebenden Universum gleich wie vom unendlich kleinen Subatomaren - mit uns Menschen selbst maßstäblich maßgebend zwischendrin - korrelieren in unserer Wahrnehmung wissenschaftlich erkennend und sinnlich bereichernd. Dunkle Leere und lichter Raum gestalten unseren Tag und unsere Nacht, geben uns Lebensrhythmen, machen unsere Raum - Zeit.
Eben weil Architekten mit dem Licht - Raum eines fernen Außen das helle Innen unserer Gebäude entwerfen, studieren wir in unseren akademischen Ausbildungen auch den rätselhaften Partikel - Welle - Dualismus, wohl wissend um das experimentum crucis, den berühmten Newtonschen Experiment zur Heterogenität des weißen Sonnenlichts. In diesen tatsächlich ursächlichen Fragen berühren wir natürlich unser menschliches Selbst; erlebt im lustvollen Dualismus von Körper und Geist.
Architektur ist zuerst sinnliche Wahrnehmung. Für ihre lichten Sphären analysiert die Gestaltungstheorie unsere human gestalterische Kultivierung von Gebäuden, Stadt und Landschaft. Wir studieren die Motive dieser Kultivierung, ihre Funktionen wie ihr künstlerisches Wollen. Wir theoretisieren und strukturieren ihre Grundlagen und Erkenntnisse. Wir trainieren erste ästhetische Praxis bildnerisch im Zeichnen, Färben und Modellieren, erkennen Architektur als eine eigene Gattung innerhalb der Künste.

Bachelorstudiengang

MB3.1 Zeichnen


Zeichnen ist zentrales Arbeits- und Kommunikationsmittel der Architektur. Nur ein kleiner Teil der architektonischen Zeichnung dient als maßstäbliche Vorlage für die Umsetzung zum Bauwerk. Große Teile architektonischer Zeichnung dienen als Diagramm, Konzept, Skizze, Variante. Der wahrscheinlich interessanteste Anteil aller verfertigten architektonischen Zeichnungen intendiert gar nicht die Umsetzung ins Bauwerk, sondern ist Vision. Die architektonische Avantgarde kommuniziert die architektonische Zukunft, Vision gar Utopie - allein durch Zeichnung und Modell. Die Architektonische Illustration ist hier radikaler als die Architektur konkreter Bauwerke.

Ihr selbst werdet bald die Zeichnung als Ausdrucksmittel Eurer Architektur gebrauchen. Der Fokus dieses Moduls ist: Euch Fingerfertigkeit und Sensibilität für Euer eigenes Zeichnen nahezubringen. Eurer Studium in diesem Modul ist Euer analoges Zeichnen von grauen Punkten und Linien auf weißem Papier. Linien mit Eurer persönlichen Bleistiftführung, solche mit schwer, leicht, mittel, gedrückter Führung; variierte: andere, breite, schmale, dünne, lineare, kurvenlineare, usw. usw. Die Striche legt Ihr zueinander, macht Umrisse, schafft Flächen, Schraffuren, Muster, Dinge, Gebilde, Ideen, Welten... Mit der Zeichnung schafft ihr Abbildungen dessen was ihr seht - und: was Ihr noch n i e gesehen habt.

Ihr beginnt mit der zeichnerischen Organisation von parallelen Linien auf dem Papier, nähern euch schnell den Schraffuren, beginnt organische und geometrische Gegenstände zu zeichnen, die vor euch auf den Tischen liegen. Ihr schaut euch im geometrischen Innenraum der Uni um, schaut aus dem Fenster ins organische Grün des Außen, zeichnet, was ihr in eurer Nähe seht.

Ihr übt das Zeichnen als Illustration, als Notation des Sichtbaren - um bald das Ungesehene, das Ihr Euch ausdenken werdet, einmal darstellen und Eurem Außen – den Menschen in Eurer Nähe - kommunizieren zu können. Das Zeichen und Formen geschieht mit Euren Sinnen und Euren Händen. Die Übungen dienen dem Erfahrungsgewinn beim Zeichnen, dem Verstehen der eigenen Zeichnung und der kritischen Selbst-Reflektion - eben durch die eigene Zeichnung. Jede Zeichnerin und jeder Zeichner ist ihre beste und sein bester „LehrmeisterIn“. Jede und jeder sieht genau, wie sich die Technik der Strichführung durch Andruckstärke, Schwung, Verlangsamung, Gekritzel, Präzision, Detailwiedergabe, Detailsubsummierung, Detailpräzision, Abstraktion, Figürlichkeit, Komposition usw. usw. in eine zweidimensionale Darstellung, eben die Zeichnung verwandelt ... vielleicht bildhaft wird. Genau als das, was die Zeichnung darstellen will: ...vielleicht nicht mehr als eine zarte, kräftige oder vehement linierte Fläche auf einem weißen Stück Papier.

Die Frage, wie viel Fläche die Zeichnung von dem Papier verbraucht, auf dem sie „sitzt“, hat mit der Frage zu tun, wo und wie sich das Gezeichnete von der realen Umgebung abgrenzt, vom Außen der Zeichnung; hat mit der Frage zu tun, wie viel Freiraum vehement gezeichneter Linierung, wie viel Freiraum kräftig gezeichneter Linierung, wie viel Freiraum zart gezeichneter Linierung gut tut. Ein zeichnerisch unbehandeltes Feld (oder Passepartout oder Rahmen) rings um die Zeichnung verleiht der Zeichnung Unabhängigkeit, Existenz: Setzung (siehe oben), einen Rahmen. Ein Bildrahmen ist nicht nur metaphorisch so etwas ähnliches wie ein „Fenster“ in die Zeichnung (in das Bild).

Bei den Übungen des Zeichnens geht es nicht um „richtig“ oder „falsch“, selten. Was wäre „falsch“? Es wäre zumindest zweifelhaft, eine Zeichnung nicht in die Papiermitte zu setzen. Warum? Weil diese Zeichnung dann das zentrale Ereignis, das Sie qua zeichnerischer Intention ist, nicht zentral auf dem Stück Papier wiedergibt, sondern: „am Rande“. Asymmetrische Setzungen der Zeichnung auf ihrem Papier könnten „richtig“ sein, wenn die Zeichnung, etwa aus grafischen Gründen, die asymmetrische Aufteilung des Blattes will, vielleicht, um die unbehandelten Freiflächen als Zeichnung, Zeichen zu integrieren. Die unbehandelten Flächen gehören dann zum Bildaufbau und bekommen eine Aussage.

Wenn Ihr ein Blatt gezeichnet habt, vergleicht bitte Eure zeichnerische Absicht mit Eurer zeichnerischen Ausführung. Es wird zwischen Absicht und Ausführung immer, tatsächlich immer Unterschiede geben. Vordergründig registriert Eure Wahrnehmung, was Ihr so nicht wolltet, eventuell verzeichnet habt; das könnte die nächsten Zeichnung verbessern. Vielleicht ist dieses so aber in der Wahrnehmung der Zeichnerin oder des Zeichners etwas unerwartetes, was scheinbar die Zeichnung aussagekräftiger und interessanter macht. Seid neugierig! Was hat eure Hand hier gezeichnet? Hat dies Neue eine ansprechende Sinnlichkeit (Ästhetik)? Könntet ihr dies Neue kultivieren, üben?

Zeichnungen mit „..kann ich nicht besser...“ abzutun, entspricht nicht einem Studium. Studium bedeutet, den Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu studieren. Studiert Eure Zeichnungen, schaut, was Eure Hand qua Bleistift mit Eurem Willen, Eurer Auffassung gemacht hat, studiert.

Üben ist der einzige Weg, Zeichnen zu verstehen, als ganz eigenes Kommunikationsmittel immer weiter zu verbessern – oder als Kunst zu praktizieren. Es ist wie bei allen anderen komplexen Handlungen (außer Knopfdrücken), allein durch die Anreicherung eigener Erfahrung entsteht Sicherheit, Gewandtheit, lässt sich Fertigkeit, hier: Darstellungskraft entwickeln. Es gibt übrigens kein illustratives Medium, das schneller wäre als eine sekundenschnell hingeworfene, mit der Hand gezeichnete Skizze.

Zeichnungen dienen allerdings nicht nur eurem inneren Verständnis eures Aussens. Die Zeichnung hat einen hohen referentiellen Wert auch für euer Innen, euer Selbst. Entsteht sie doch momentan vor euren Augen, setzt eine Beobachtung, eine Eingebung, einen Gedanken, eine Idee in eine zweidimensionale Zeichnung frei. Die Transformation Gedanke-Zeichenspur leisten unbewußt/bewußte koordinierte Muskelkontraktionen von Arm und Hand, führen den Bleistift übers Papier. Die geringe Zeitverzögerung zwischen Idee und mechanisch/organischer räumlicher Ausführung macht euch qua Sehen bewusst, wie Ihr Etwas produziert. Ihr seht und Ihr könnt noch während des Zeichnens vergleichen, ob das Sichtbare eurem gerade eben Gedachten entspricht, könntet schon jetzt im Zeichnen der Zeichen diese Zeichen manipulieren. Eure Zeichnung ist unmittelbare Referenz eures Gedankens, ein Arbeitsmittel, ein zeichnerischer Entwurf vom Denken. Ihr könnt das Spiel wiederholen, bis ihr seht, ihr habt das gezeichnet, was ihr denkt; doch geht weit mehr. Der Spielraum ist exponentiell: Dinge, die ihr nicht gedacht zu haben scheint, mögen sich euch in eurer Zeichnung zeigen; Intuitives, Zufälliges, Ungenaues, mag sich zur Informationen verdichten, die ihr so noch nicht gesehen habt. Denken und Zeichnen entwickeln im intersubjektiven Abgleich Synergien, denen ein Produkt entwachsen mag, das man noch nie imaginierte.

Natürlich haben wir alle unterschiedliche Talente, nicht jede/jeder das des guten Zeichnens, gar der Kunst des Zeichnens. Auf das Gute kommt es auch nicht alleine an. Verquere, linkische, unbeholfene Zeichnungen, mit Wille und Engagement verfertigt, strahlen eventuell große Kraft aus, wenn Sie eine Auffassung, ein Konzept, eine Idee transportieren. Darauf kommt es an. Auch im Zeichnen des scheinbar Einfachsten. Sollen parallele Linien gezeichnet werden, muss diese Absicht von der Zeichnung transportiert werden: die einzelnen Linien, egal ob krumm, unterschiedlich, vielfältig, beiläufig - sollen nur eines ausdrücken, Parallelität. Für das Erreichen dieses Bildausdruckes gibt es einleuchtendes Wort: Setzung.

Das Lehrgebiet ist der Auffassung, das jede/jeder ein anderes Eigenes Zeichnen tätigt. Das Lehrgebiet will immer versuchen, sich in euer individuell eigenes Zeichnen einzufühlen, seine Stärken zu stärken und seine Schwächen zu schwächen, nicht alle über eine Kamm. Es gibt übrigens, wie überall auch beim Zeichnen ein paar Tricks und Kniffe, die wir euch gerne weitergeben. Aber das Finden des eigenen Zeichenstils, genial, linkisch, krass exakt oder schlampig cool, anders als anders usw.- das müsst ihr selbst in Eurem Selbst entdecken, in Euren Zeichnungen: neu erfinden, kultivieren, und immer wieder üben....

MB3.2 Farbgestaltung

Farbe ist das selbstverständlichste gleichwohl enigmatischste Phänomene unserer intentionalen Wahrnehmung jeglicher Materie; wohl auch des lichten Raums oberhalb unserer Horizonte, siehe – schau! über Weiß und Graus die Blaus... Farbe registriert jedes Individuum subjektiv. Objektiv übereinstimmende Einschätzung von Farbtönen zwischen Menschen gelingen allein qua Betrachtungen numerischer Kodierung auf Farbkarten wie CMYK oder RGB, Pantone, HKS, RAL, etc.

Farbe - ganz wie das Licht - entzieht sich nie unserer sinnlichen Kontemplation – und geradezu in paradoxer Weise - unserer anschaulichen Wahrnehmung in wissenschaftlicher Deutung. Quantenphysikalische Hypothesen zum Licht - wie wohl zur Farbe - gründen auf der Idee, die Natur des Lichts vereine gleichzeitig Partikel und Welle - ohne allein das Eine oder das Andere zu sein. Dualismen sind uns Menschen scheinbar unbekannte Konvention jenseits unseres gewohnten deterministischen Verständnisses.

Also verstehen wir Farbe, wie wir sie im Farbspektrum bunten Lichtes sehen. Etwa die Heterogenität des weißen Sonnenlichts und seiner Refrangibilität in der optischen Anschaulichkeit des experimentum crucis, das Isaac Newton in einem abgedunkelten Raum ausführte. Wir kennen Goethes unorthodoxes Gegenexperiment, wenn er die Heterogenität des dunklen Lichts, des Schattens, prismatisch im hellen Raum spektralisiert. Der Wissenschafts-Philosoph O. L. Müller sieht in seinem Buch Es werde Licht* eine Symmetrie beider Versuche, verhalten sich doch das Newtonspektrum und das Goethesspektrum farbig komplementär. Gibt es denn eine physikalische Symmetrie von Licht und Dunkelheit? *(Goethes drei letzte Worte)

Der Malers Ingo Nussbaumer experimentiert 1995 in Anlehnung zu Newtons und Goethes Aufspaltung des unbunten Lichts mit acht farbigen Lichtquellen. Er nennt die Heterogenitäten farbigen Lichts ‚unordentliche’ Spektren. Durch Nussbaumers Spektralisierung von acht Lichtfarben zeichnen sich unendlich viele Symmetrien komplementärer Farben ab; Bedenkt man, das der einzelne Menschen mit seinen Sinnen Millionen von Farben unterscheidet, wie wäre diese – insofern endliche Ausdifferenzierung des Viel-Farbigen zu deuten?


In unseren praktischen Übungen mit Farbe arbeiten wir sehr einfach, Ittens Kunst der Farbe und Goethes Farblehre sind Lektüre. Wir malen mit drei Aquarellfarben. Cyangelb, Kadmiumrot und Kadmiumblau, Schwarz, möglichst kein (Deck-)Weiß. Wir arbeiten handwerklich analog auf Papier in kleinen Formaten. Wir malen die Grundfarben pigmenthaltig opak oder wässrig transluzent, verwässern dichtes Pigmente in Farblosigkeit. Wir mischen aus Primärfarben Sekundärfarben und aus solchen Sekundärfarben Tertiärfarben. Wir erkennen Komplimentärfarben. Wir setzen Farben in proportionale Verhältnisse oder in einen Farbkreis. Wir arbeiten mit Kontrasten.

In den ‚Bildern’ beobachten wir Pigmentdichten und Verinselungen innerhalb gleicher Farbtöne, Verläufe, Nass in Nass Effekte, Dichte und Lichte der Farbe. Wir nutzen die changierenden Eigentümlichkeiten zur Vergegenständlichen klassischer Stillleben, die farbige Vielfalt im organischen Obst, das Abbild der eigenen Hand illustrierend. Bei der Wiedergabe monochrom durchfärbter Plastikeimern bilden gleichfarbige wässrige Farbdichten, -Verläufe und -Inseln hell und dunkel von Schatten wieder. Zur Schlag-Lichtsetzung lassen wir Inseln ohne Farbe. Und so weiter. Wir erleben die endlose Vielfarbigkeit aus der Mischung dreier Farben.

MB5.1 Plastisches Gestalten

Was ich Euch über das Zeichnen als zentrales Arbeits- und Kommunikationsmittel planender Architekten sage, gilt mir ausdrücklich für die modellhafte Darstellung der Plastizität des Bauwerks, sei es maßstäbliche Simulation - oder Wirklichkeit. Unser plastisches Gestalten mit Ton studiert die dreidimensionale Topografie landschaftlicher und geometrischer Räume. Diese Aussage ist bedeutungsloser Allgemeinplatz - solange wir uns in alltäglicher Routine in den Umgebungen unserer Landschaften, Wohnräume und Städte bewegen. Als bewusst wahrnehmende Menschen allerdings genießen und beobachten wir die sinnliche Kultivierung des Raums - als entwerfende Architekten erschaffen wir Haus, Weiler, Dorf, Stadt, Garten, Park und Metropole.

Da aber die Gegenstände unserer Planung in Zeichnung und Modell auf unserem Arbeitstisch oder unserem Computerbildschirm nicht die Größe ihrer gedachten wahrhaftigen Wirklichkeit annehmen können, hantieren wir mit Transformationen unserer Planung in Form von verkleinernden Zeichnungen und Modellen. Auf den Computerbildschirm zoomen wir die Miniaturisierung von Zeichnungen und digitalen Modellen mit Mausklicks größer oder kleiner, gerade wie es unserem planerischen Arbeitsprozess passt. Bei physischen Modellen gelingt dieses Zoomen nicht. Hier sind wir auf festgelegte Maßstäbe angewiesen, nämlich zehn mal, zwanzig mal, hundert mal, fünftausend mal usw. verkleinert zu arbeiten.

Architektonisch Planung ist eine verkleinerte Abstraktion einer gewünschten großen Wirklichkeit. Architektonische Planung re-präsentiert das Gedachte in einer Darstellungsform und Materialität jenseits der Wirklichkeit. Damit einher gehen Eigentümlichkeiten gelungen schöner physischer Modelle und Zeichnungen: sie erscheinen in einer ganz eigenen Aura, sind nicht selten hinreißend schön - an und für sich: faszinierende Miniaturen großer gedanklicher Entwürfe, wundervolle Versprechen. Dabei ist maßstäbliches Arbeiten zuerst einmal ein mathematischer Verkleinerungs- bzw. Vergrößerungsprozess. Er abstrahiert das Größenverhältnis zwischen der Realität und ihrem kleinen Modell.

Unser mentales Oszillieren zwischen modellierender Planung und gedanklicher Wirklichkeit erfordert subtiles Erkennen und sinnliches Wissen über die Eigentümlichkeiten von Abstraktionen. Fordert man nicht von unserer Planung einen realisierbaren Dualismus einer ein- und derselben Wirklichkeit, nämlich der Übereinstimmung von Wirklichkeit des kleinen Modells mit seiner (noch nicht vorhandenen) Wirklichkeit im großen Wahrhaftigen? Ringen wir nicht um die dichte Annäherung der dichotomen Wirklichkeiten aus dem Modell des Gebäudes und der Wahrhaftigkeit des Gebäudes? Machen wir uns nicht dauernd Kleines für Großes und Großes für Kleines vor?
Vor diesem massstäblichen Hintergrund empfehle ich Euch das Studium und die Analyse von räumlicher landschaftlicher Plastizität als Einstieg in die Synthese räumlicher Plastizität, sei es im Entwurf der von Landschaft selbst, sei es Im Entwurf von Architektur oder Stadt. Gerade hier ist Plastisches Gestalten Wahrnehmung und Bearbeitung in verschiedenen Verkleinerungsmaßstäben; Also praktizieren wir Massstäblichkeiten in großen Schritten von 1 : 25.000 bis zum Maßstab 1 : 1.

Vor der handwerklich händischen Formung von verkleinerten dreidimensionalen Landschaften erlernen wir im Umgang mit zweidimensionalen Zeichnungen von Landkarten und Lageplänen das Lesen ihrer spezifischen 2D-Kodierungen hinsichtlich der dritten Dimension Höhenentwicklungen, dargestellt in topografischen Linien, notiert in Höhenquoten und Höhenkoten, Geschosszahlen, Traufhöhen - kurz: Wir praktizieren die Umformung zweidimensionaler zeichnerischer Kodierungen in maßstäblich verkleinerte 3D-Tonmodelle der Erdtopografie samt ihrer natürlichen und künstlichen Objekte. Wir beginnen mit der Betrachtung einer Wanderkarte im Maßstab 1 : 25.000. Zur bildlichen Veranschaulichung dieses verflixt kleinen Maßstabes würde es helfen, wenn wir mit Hilfe minimaler Cutter-Schnitte ins horizontal ausgebreitete Wanderkartenpapier vorsichtig winzig kleine aufrecht stehende Papierschnippselchen aufklappen – die menschliche Figuren symbolisieren: Diese auf der Karte stehende Winzigkeit - diese fast nicht mehr wahrnehmbaren Menschenfigürchen würde – maßstäblich richtig dimensioniert – etwas weniger als 1/10 Millimeter aus dem Kartenpapier herausragen!

Vor Beginn der plastischen Darstellung von Architekturen beschäftigen wir uns mit der Plastizität und Dreidimensionalität unserer natürlichen Umgebung, der Landschaft. Ich unterstelle nämlich, dass wir in unserem Seminar – sozusagen im Zeitraffer – über die allmähliche Evolution einer gestalterischen dreidimensionalen Raumauffassung früher Menschen spekulieren – eingedenk ihrer historischer Kultivierung von Landschaft, Landwirtschaft und Landschaftsgarten, von Architektur, Stadt und Metropole.

Motto: Hat etwa der frühe Mensch in der Natürlichkeit leerer Gefäßformen wie der Nussschale oder pflanzlicher Blütenständen das umgrenzende Räumliche wahrgenommen, gar kopiert, genutzt: Seine Hände zur Hohlform, zum Gefäß geformt und Wasser in seinen so schalenförmigen Händen zum Mund geführt? Kommt die Idee zum geometrischen Raum vom Durst? Oder kommt die menschliche Idee und sein Entwurf zum Raum auch von größerer landschaftlich/topografischer Form, Höhle und Krater, gar Berg und Tal?

Insofern hat unsere praktische Seminararbeit, also das maßstäbliche Zeichnen von Schnitten durch Landschaft und Gebäude, die Transformation der Zeichnung in die Volumen des Tons auch eine kontemplative Dimension: im Sinnieren, Theoretisieren, besser: im Spekulieren über die Idee des Raums.

Masterstudiengang

Das Planen von Architektur ist weitgehend eine mentale Leistung. Der Architekt arbeitet mit Schichten von Form – Masse, Öffnung, Himmelsrichtung – und Pseudo-Form – Funktion, Ressourcen, Baugesetz, Genius Loci, etc. Um diese Vielfalt zu organisieren, überlagert und fasst der Architekt alle Formschichten zusammen und kreiert so einen hypothetischen Kontext variabler Realitäten. Von diesem Ur-Kontext extrahiert der Architekt sein Konzept.

Konzept ist eine synthetische Planungsphase, essentiell für die Homologisierung von Masse und Öffnung mit Ort, Funktion etc.. Das Konzept ist ein Prozess, der zwischen kognitiven architektonischen Einheiten und den daraus geborenen Modellen und Zeichnungen oszilliert.

Allmählich wechselt die gesamte Planung in den individuellen Jargon (Talent) des Architekten. Die Idee wird durch ein Urbild des Gebäudes ersetzt, die Pseudo-Formen lösen sich in Masse und Öffnung. Masse und Öffnung zeigen sich allerdings zweigestaltig: illustrativ in Zeichnung und Modell, vergeistigt im kognitiven Bild des Architekten. Es ist das Bild im Bewusstsein des Architekten, das dem Gebäude stets näher ist als jedes Modell. Erste Visualisierung aller Architektur sind zumeist Linie, Skizze, Perspektive.

Legendär sind Zeichnungen als Initiale als Ursprung architektonischer Handlung. In ihren großen Momenten wird aus händischer Gebärde baulich deutbarer Impuls in Linie, Skizze, Perspektive, Gekritzel. Hier schöpft sie ihre Magie. Die Zeichnung ist das Dokument Interferenz zwischen Gedanken und seiner händischen Notation (=Armlänge). Jeder Entwerfer weiß um dieses Phänomen, kostet es aus. Die Skizze entspricht nie vollständig vorauseilenden Gedanken und der Gedanke entspricht nie vollständig der Skizze. Entwerfen ist das selbstreflexive Dechiffrieren eigener Notation gegenüber eigenem Gedanken.

des Lesens und Dechiffrieren seiner Idee. Was für ein wunderbarer Vorgang, was für ein Ereignis. Verführerisches Signal zum nächsten architektonischen Gedanken, dann Zeichnung, und sofort, architektonische Genese, Ausdruck des Architektur Wollens.

Ansichtig gestalteter Gedanke, leibliche Referenz des Gestalters selbst. Gestisches Medium, Signal zum nächsten architektonischen Gedanken, zur nächsten Zeichnung, zur Genese auch des talentierten Unterbewussten, Ausdruck des Architektur Wollens.

Schon in Lascaux architektonisch. Wenn auch eher tierisch, so doch verzierend, ornamental auf Wänden, Kunst, Verschönerung zum Bewohnbaren der Höhle (es gäbe viele Deutungen)

Architektonische Zeichnung verfasst nicht allein Antrag zum Gebäude, sie verfasst Architektur-Theorie, der Vitruv Mann, später Leonardo und Corbu’s Modulor. Zeichnerische Spekulation zur bäumlichen Ur-hütte Laugiers, zur Utopie Boullees Zeichnerischer Körper historischer Dimension in den Arsenalen der Museen, der Galerien und bei privaten Sammlern, in Büchern. Oder Mainstream oder Avantgarde der Ismen in den Zeitschriften, Pamphleten und Magazinen. Die spekulativen Zeichnungen arbeitender Talente, Wettbewerbe, studentisch an den Universitäten und architektonisch in Ateliers. Gekonntes gerät in große architektonische Aufregung, zeigt Architektur wie nie gesehen noch jeh gedacht. Großes Bauen startet in Zeichnung. Zu unhandlich, zu langsam, zu komplex das wirkliche Haus initial aufzutürmen...

Elaboriert in Grundriss, Schnitt und Ansicht wird die Zeichnung maßstäbliche Kodierung und Konvention, kommuniziert zwischen Entwerfer, Planer, Bauherr, Handwerk, Gesetz, wird vertragliches Dokument des Hauses.

Im Masterstudiengang schaut die Gestaltungstheorie durch die Zeichnungen in die Architektur hineinwärts, inwendig zum Ursprung, um von Innen her kommend, intrinsisch, in Zeichnung Gestaltform zu machen. Architektur ist autopoietisch - selbst erschaffend und selbst erhaltend. Und wenn mimetisch, Mimesis der Höhle, des Nests, der Nussschale, des Blütenkelches, des gebärenden Leibes, der topografischen Senke, des Tales, des Kraters, der Ebene - des Horizonts? Kommt nicht die Idee des Raums von einem menschlichen Durst?

Prähistorische lotrecht ausgeführte Bauwerke, die Felsnische, hohlen Baumstamm, die Erd- oder Felshöhlen ersetzen, ähneln natürlichen Wohnstätten weder im tektonischen Aufbau noch sehr im Aussehen. Sie ähneln nicht einmal irgendwelchen Nestern, weder einem Baum noch dem Wald; eventuell ähnelt die Säule dem Menschen. Bauwerke sind etwas von Menschen erfundenes. Frühe Architekturen sind Evolutionen aus dem Primitiven. Nichts in ihrer Gestaltform erinnert an natürliche Vorbilder. Gebäude sind Geometrie und Schwerkraft. Der Wunsch und das Bedürfnis nach Schutz wird transformiert in etwas Unnatürliches: in Geometrie, generische Gebäudetypologien, morphologische Archetypen und im Mix: Regionalismen.

Der architektonische Raum ist ein bodenständiges Innen, umhüllt durch begrenzende Wände mit Öffnungen zum Licht unter hütendem Dach. Das Urgebäude gibt es nicht, denn welch zweiter Ort könnte eine landschaftliche Setzung authentisch wiederholen? Kein Ort gleicht im Dort dem nächsten.

MM2.1

Die Ur-hütten Vitruvs, Le Ducs, Perraults sind Idealisierungen von Nicht-Natur-Geometrien. Diese Findungen sind poetisch, narrativ, sie bedienen epochale, kulturelle und stilistische, technische Merkmale. Marc Antoine Laugiers Vorschlag von 1755 gibt der Urhütte die Anlagen klassischer Architektur, sogar eine tempelähnliche Anmutung mit Säulen und Pediment. Durch die Manipulation der Natur einer Baumgruppe zu einem (kaum) schützenden Dach stellt Laugier die menschliche Kreation als lebendigen Teil der Evolution dar, Laugiers Urhütte vereint Natürliches und entwickelt Kultiviertes, nicht allein ein schützendes Blätterdach, sondern schon Baukunst. Laugiers Sicht, dass menschliches Kunstwollen vitaler Teil der Evolution ist, macht seinen historischen Traum modern.

MM7.1


***under contruction***



Forschungstätigkeiten im Lehrstuhl

Forschungstätigkeit Götz Stöckmann

(in formalhaut mit Gabriela Seifert)

Die Erosion der Grenze
Wir studieren im Lehrgebiet GestaltungStheorie Raum und Licht als Botschafter der Schönheit architektonischer Ästhetik, sinnlich in der Verknüpfung des Lichts mit dem Raum und/oder umgekehrt, des Raums mit dem Licht.

In der Architekturtheorie wird Raum weitgehend als eine Paarung aus Massen absoluter Geometrie und lichter Leere aufgefaßt. Das Verständnis des weißen Lichts in der klassischen Architekturtheorie gründet auf der Physik Newtonscher (1) Refrangibilität und seinem farbigen Spektrum. Jenseits der Physik gilt Licht bei Erwin Panofsky (2) als Verkünder des Diaphanen, bei Otto von Simson (3) gar eines Dionysischen. In solchen klassischen Gedankengebäuden ist das Licht quasi metaphysischer Partner der architektonischen Materie, die sich haptisch vermittels der Tektonik und der Konstruktion räumlicher Grenzen zeigt.

Der Kunsthistoriker Alois Riegl identifiziert in seinem Buch Spätrömische Kunstindustrie (4) die räumliche Grenze, also das architektonisch Gegenständliche (Masse), als den potenziellen Träger architektonischer Schönheit; Es sei denn, die räumliche Grenze wäre masselos, gleich grenzenlos, eo ipso Unendlichkeit. Riegl publizierte seine Raumtheorie als Planck, Heisenberg und Bohr Ende des 19. Jahrhunderts die Quantenphysik gründeten. Riegls Einführung des Unendlichkeits-Begriffs in den architektonischen Diskurs enthält keine Bemerkungen über ein Hell oder Dunkel in der Grenzenlosigkeit des - wie er ihn nennt - “freien Raums”.

Götz Stöckmann und Gabriela Seifert studieren in formalhaut (5) die ästhetischen Wahrnehmungspotentiale des Rieglschen Unendlichkeits-Begriffs in künstlerischen Arbeiten und mit wissenschaftlicher Neugierde. Dabei werden die naturwissenschaftlichen Referenzebenen für die architektonische Bedeutung der Licht- und Raumverknüpfungen studiert. Daraus bilden sich Ansätze, ästhetische Theoriemodelle zur Wahrnehmung von Licht und Raum spezifisch in der gebauten Umwelt und der Kunst auch mit quantenphysikalischen Erkenntnis- bzw. Wahrnehmungsmodellen zu vergleichen. So werden die Wahrnehmung abstrakter Denkmodelle der Quantenphysik, die mit Unschärfe und Wahrscheinlichkeit operieren, mit Wahrnehmungsebenen der Kunst als ähnlich vermutet; Gerade solche, in denen Physik eine Entität mit zwei unterschiedlichen, jedoch gleichzeitig existierenden physikalischen Zuständen beschreibt, wie z.B. im quantenphysikalischen Dualismus des Lichts.

Die Beschreibung des Seienden in den autonomen Realitäten der Kunst wiederum komponiert duale Zustände. Ihre Bilder scheinen gemäß formalhaut’s Annahme ähnlich dualistischer Struktur zu sein. In ein und demselben Bild (etwa einer Malerei) erscheinen duale Seins-Wirklichkeiten, nämlich die lichte Wirklichkeit des Bildes und die Wirklichkeit seiner Bedeutungen. Allein die Gleichzeitigkeit beider Zustände konstituiert die Realität der Kunst. Dieser Dualismus des Kunstwerks zeigt etwas zutiefst Menschliches: einen intrinsisch vielschichtig verstehenden Geistes-Zustand des Betrachters, der dem betrachteten Werk durch programmatische Unschärfe Prinzipien und Wahrscheinlichkeiten das künstlerische Sein erst gibt.

Eine künstlerische Aussagen ist nie deterministisch, sondern lediglich wahrscheinlich. Determinismus ist nicht nur das Ende der Kunst, sondern das Ende des zukünftigen Gedankens. Künstlerischer Determinismus wäre eine monumentale Singularität in der Kunst - alle Welten aufscheinend in einem einzigen Kunstwerk.

formalhauts Arbeit versucht, Licht und Raum als separate Bestandteile zu destillieren, die sich individuell an die Kreativität oder an die sinnliche Wahrnehmung des Menschen wenden. formalhaut fokussiert die Zustände Licht einerseits und Raum andererseits als eventuell separate ästhetische Potenziale. Könnte jedem einzelnen der beiden Zustände Autonomie zugesprochen werden oder liegt die Autonomie in der Einheit ihrer Paarung, welche Raumkunst, besser: Raum - Licht - Kunst konstituiert

  1. Isaac Newton: Opticks or, a Treatise of the Reflections, Refractions, Inflections, and Colours of Light; based on the 4th ed., London 1730
  2. Panofsky, Erwin: Gotische Architektur und Scholastik, Köln, 1989
  3. Simson, Otto von: Die gotische Kathedrale, Beiträge zu ihrer Entstehung und Bedeutung, Darmstadt 1968
  4. Riegel, Alois: Spätrömische Kunstindustrie, 1901-1923
  5. formalhaut, Künstlergruppe gegründet 1983 mit Ottmar Hörl, siehe www.formalhaut.de

 

Forschungstätigkeit Martin Schäpers

***under contruction***

Forschungstätigkeit Marcus Heider

***under contruction***

 
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