Haftung / Versicherung
Das französische Baurecht unterscheidet zwischen öffentlichen und privaten Aufträgen31. Öffentliche Aufträge werden nach der CCAG (Cahiers des Clauses Administratives Generales) durchgeführt, wohingegen die Standardverträge der AFNOR (Association Francaise de Normalisation) für private Aufträge relevant sind32. Die Abnahme (nach Art. 1792-6 ordre public) muss verbindlich und einheitlich in Anwesenheit aller Vertragsparteien stattfinden33. Vorläufige Abnahmen sind in Frankreich nicht zulässig, es können jedoch Teilabnahmen für in sich abgeschlossene Einheiten in Form von separaten Endabnahmen durchgeführt werden. Durch eine Abnahme wird der Bauunternehmer von der Haftung für augenscheinliche, nicht vorbehaltene Mängel befreit. Gleichzeitig geht die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Auftraggeber über. Innerhalb einer einjährigen Frist nach Abnahme muss der Unternehmer im Sinne einer objektiven Garantie alle vorbehaltenen und versteckten Mängel unabhängig vom Verschulden beheben34. Bei der Gewährleistung wird zwischen einer zweijährigen und einer zehnjährigen Haftung unterschieden35. Die zweijährige Haftungsfrist betrifft Mängel an Ausstattungsteilen, die nicht unmittelbar mit dem Gebäude in Verbindung stehen (Garantie de Bon Fonctionnement oder Responsabilité Biennale). Die zehnjährige Gewährleistung gilt für alle Schäden und Mängel, die die Standfestigkeit oder Gebrauchsfähigkeit des Bauwerks beeinträchtigen36. Nach Art. 1792-2 CC gilt die Haftung auch für Ausstattungsteile, die untrennbar mit dem Bauwerk verbunden sind37.
Nach französischem Recht müssen alle, die durch ihre planende, unternehmerische, überwachende, handwerkliche, kontrollierende und geschäftsbesorgende Tätigkeit in Zusammenhang mit der Erstellung des Bauwerks für den Mangel ursächlich sein könnten, für das Bauwerk in gesamtschuldnerischer Haftung nach Code Civil (CC)38 eintreten. Unabhängig vom Schadensfall wird ein Verschulden des Unternehmers angenommen. Nach Meldung von Mängeln müssen Bauunternehmer, Architekt, Statiker oder andere Beteiligte nachweisen, dass der Schaden durch Fremdeinwirkung oder höhere Gewalt entstanden ist39.
Durch das Loi Spinetta, (Gesetz Nr. 7812) sind alle durch Vertragsbindung am Bau Beteiligten zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet40, die die gesetzlich vorgegebenen zehnjährigen Gewährleistungsfrist (Garantie dècennale) abdeckt41. Die größte Versicherungsgesellschaft in Frankreich mit einem Marktanteil von über 90 % ist die MAF (Mutuelle des Architectes francais)42. Eine Besonderheit der französischen Versicherungspflicht ist die Bauschadenversicherung des Bauherren (L´assurance dommages-ouvrage). Gegenstand dieser Versicherung ist derselbe Schadensfall, der auch durch den Planer versichert wird. Ihr Ziel ist es, dem Bauherrn unabhängig von der Klärung der Schuldfrage eine schnelle Schadensregulierung zu garantieren. Der Bauherr muss so im Schadensfall nicht auf eine gerichtliche Klärung warten oder in finanzielle Vorlage treten. Es existiert auch eine Versicherung mit dem Namen Police Unique du chantier (PUC)43 , die alle am Projekt Beteiligten umfasst. Sie deckt die 10-jährigen Haftungsansprüche aller Beteiligten ab. Die Versicherungskosten belaufen sich in Frankreich schätzungsweise auf 3% bis 8% der gesamten Baukosten, ausgehend von einem Versicherungsschutz sämtlicher Projektbeteiligten.
Abb. 1: Versicherungspflicht in Frankreich44
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Quellen:
31 Vgl. W. Dürig/B. Lageman, Zukunftsstudie Baugewerbe NRW, Regulierungssystem Produktmarkt, RWI Essen 2003
32 Internet-Auftritt des AFNOR unter http://www.afnor.fr/portail.asp, 23.05.04
33 Vgl. W. Dürig/B. Lageman, Zukunftsstudie Baugewerbe NRW, Regulierungssystem Produktmarkt, RWI Essen 2003
34 Vgl. http://www.ixpos.de/sid_21D7198A4DC4BDACD634644967FBAD5A/nsc_true/Content/de/02_ _LaenderUndBranchen/
Branchen/Finanzen/Architektur/Profil__Frankreich.html, 04.05.04
35 Vgl. http://www.architectes.org/documents/vie-professionnelle/exercice-profession/p232.htm, 23.05.04
36 Vgl. http://www.dr-hoek.de/Frankreich-Baumaengel-und-Verjaehrung.html, 01.03.02
37 Vgl. W. Dürig/B. Lageman, Zukunftsstudie Baugewerbe NRW, Regulierungssystem Produktmarkt, RWI Essen 2003
38 Vgl. Artikel 1792-1, 1792-4, 1831-1, 1646-1 C.c., Art.9 Gesetzesnovelle 1971 - Loi Spinetta
39 Vgl. Schwarz H., Das Bauvertragsrecht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - I.Frankreich,
http://www.weltrecht.de/autoren/texte/veroeffentlichungen/sw_bauvertragsrecht.htm, 20.04.02
40 Vgl. Grenzüberschreitendes Bauen-Arbeitshilfe für[...] Planer, S.46 ff., Hrsg. Ministerium für Finanzen des
Landes Rheinland-Pfalz & VHV Vereinigte Haftpflichtversicherungen, Oktober 1999
41 Vgl. W. Dürig/B. Lageman, Zukunftsstudie Baugewerbe NRW, Regulierungssystem Produktmarkt, RWI Essen 2003
42 Vgl. http://www.architectes.org/documents/vie-professionnelle/exercice-profession/p232.htm, 23.05.04
43 Alle von der Kammer empfohlenen Versicheurngsgesellschaften unter http://www.architectes.org/documents/
vie-professionnelle/installation-professionnelle/p21.htm#Ass_Pro, 23.05.04
44 Vgl. http://www.bienconstruire.com/fiches/conta000010.htm, 23.05.04