Architektur- und Ingenieurbüros
Der Beruf „Architekt“ in Polen
Ein abgeschlossenes fünfjähriges Magisterstudium im Fachbereich Architektur ist die Grundvoraussetzung für die Berufsausübung als Architekt in Polen. Es existieren neun polytechnische Hochschulen für Architekten1. Um an der Hochschule aufgenommen zu werden, muss eine praktische Aufnahmeprüfung bestanden werden.
Der erlangte Berufstitel lautet magister inżynier architekt (übersetzt: Diplom-Ingenieur Architekt). An einigen Hochschulen kann alternativ ein verkürztes vierjähriges Architekturstudium mit dem Abschluss inżynier architekt (übersetzt: Ingenieur Architekt) absolvieren werden.
Tab. 1: Polnische Hochschulen mit Architektur Fakultäten und Studentenzahlen2
Die gesetzliche Grundlage zur Berufsausübung schaffen u. a. das Gesetz über die berufliche Selbstverwaltung von Architekten, Bauingenieuren und Städteplanern (Ustawa o samorządach zawodowych architektów, inżynierów budownictwa oraz urbanistów) vom 15.12.20003 und die Novelle des Gesetzes vom 15.2.20024.
Die Bauvorlageberechtigung erhalten Architekten nach drei Jahren Berufspraxis, davon muss mindestens ein Jahr Bauleitung absolviert werden und eine gesonderte Prüfung vor der regionalen Architektenkammer bestanden werden5.
Um den Beruf des Architekten ausüben und um bei Ausschreibungen volle Projektverantwortung übernehmen zu können, ist eine Mitgliedschaft bei der örtlichen Architektenkammer obligatorisch. In jeder Woiwodschaft (analog: Bundesland) gibt es eine regionale Architektenkammer, die auf nationaler Ebene von der Landesarchitektenkammer (Izba Architektów Rzeczpospolitej Polski) vertreten werden. Mit Beitritt kann man den Titel architekt IARP tragen6. Der Mitgliedsbeitrag beträgt zur Zeit im Monat 50 PLN (11 EUR)7.
Situation der Architekturbüros
Die polnische Landeskammer schätzt die Zahl der polnischen Architekten auf ca. 12.000, was einer Architektendichte von 0,31‰ entspricht8. Die Landesarchitektenkammer selber zählt ca. 6795 beruflich aktive Mitglieder (mit einer Architektendichte von 0,17‰)9. Aber auch in Polen ergeben sich starke regionale Unterschiede. So ist die Architektendichte in den Ballungsräumen, in denen auch der Großteil der Bautätigkeit zu verzeichnen ist, überproportional groß, während sich in ländlichen Bereichen nur wenige Architekten niederlassen10. Nach Angaben der BFAI werden die Planungskapazitäten aller Architekturbüros zur Zeit nur zu ca. einem Drittel ausgenutzt. 11
In Polen sind hauptsächlich kleine Büros vertreten. Es gibt nur einige Dutzend Architekturbüros, die 20 bis 30 Angestellte haben, davon arbeiten ca. 20 in Warschau und sechs in Krakau. Die Zahl der Architekturbüros mit drei bis zehn Angestellten ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Am heutigen Markt können sich am besten Büros mit max. 3 Angestellten behaupten. Sie sind sehr anpassungsfähig und flexibel und können preiswerte Lösungen offerieren. Gewinner der schlechten Lage der Bau- und Planungswirtschaft sind wenige große Büros und grenzüberschreitende Bürokooperationen, die komplexe Dienstleistungen und Spezialisierungen anbieten. Gerade diese Büros sind für ausländische und inländische Investoren wegen der besseren Arbeitskapazitäten und des im europäischen Vergleich wettbewerbsfähigen Know-hows interessant. 13
Das Aufgabenfeld der polnischen Architekten ist theoretisch nicht beschränkt. Es beinhaltet sowohl den Gebäudeentwurf, Stadtplanung, Landschaftsplanung, Innenarchitektur, Denkmalpflege und die Ausführung und Überwachung von Bauarbeiten14.
Bei Ausschreibungen von privaten Investoren oder der öffentlichen Hand ist es in Polen üblich, dass sich Architekten sehr oft nur auf die ersten Phasen der Projektierung wie Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung und Genehmigungsplanung beschränken müssen. In der eigentlichen Bauphase erhalten die Architekten dann lediglich die Autorenaufsicht über das Bauprojekt. Die Investoren beauftragen für die nächste Bauphase wie die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe von Bauleistungen einen so genannten Ersatzinvestor, der im Weiteren für die Objektüberwachung und Objektbetreuung zuständig ist. Für bestimmte Fachbereiche wie z. B. die technische Ausrüstung, den Brandschutz oder den Arbeitsschutz wird die Verantwortung Fachleuten, sog. Inspektoren, übertragen. Dies ist gesetzlich notwendig. Die Inspektoren werden direkt von dem Investor bzw. von dem Ersatzinvestor gewählt 15.
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Quellen:
1 genaue Bezeichnungen der Abschlüsse unter http://cgi.architekten-thueringen.org/cgi-bin/nachrichten/details.php?news_id=631, 22.05.04
2 Auskunft der Hochschulen, 28.11. 2003
3 Gesetzblatt „Dziennik Ustaw“ Nr.5 Pos. 42
4 Gesetzblatt „Dziennik Ustaw“ Nr. 23 Pos. 221
5 Vgl. http://www.izbaarchitektow.pl/reg/regue.php, 25.05.04
6 Vgl. http://www.izbaarchitektow.pl, 25.05.04
7 1 EUR = 4,55 PLN, Stand vom 21.11.2003
8 Auskunft der Polnischen Landesarchitektenkammer 17.11.03
9 Architektura/Murator 02/2003: Zachodniopomorska Okręgowa Izba Architektów, S. 46
10 Vgl. E. Haupt, Architekt ohne Grenzen, Teil 6: Polen, Deutsches Architektenblatt 02/2002
11 bfai: Markt für Architekturleistungen, S. 11
12 Architektura/Murator 02/2003: Zachodniopomorska Okręgowa Izba Architektów, S. 46
13 bfai: Markt für Architekturleistungen, S. 12
14 Vgl. auch Kammerinformationen unter http://www.izbaarchitektow.pl, 27.05.04
15 s. Diplomarbeit Alexander Malik, Architekturbüros in Polen, Lehrstuhl Baubetrieb, Universität Dortmund 2003